Der Geflüsterte. Herr des verfaulten Turms. Meister der Geheimnisse. Nur wenige wagen es, seinen wahren Namen auszusprechen, aus Angst, er könnte es hören, oder noch schlimmer.
Schon als junger Zauberer konnte niemand mit Vecnas Beherrschung der Magie mithalten. Während andere sich jahrzehntelang einer Schule der Magie verschrieben und diese perfektionierten, meisterte er alle mühelos. Nachdem seine Mutter als Hexe hingerichtet worden war, wurde aus seiner Leidenschaft eine Besessenheit und er konzentrierte sich auf die dunkelste Zauberschule: Nekromantie, die Magie des Lebens und des Todes.
Mit seiner Macht wuchs auch seine Entschlossenheit. Über die Jahrhunderte verlor er immer mehr seiner Sterblichkeit und wurde zum Lich. Durch seine Macht erlangte er ein großes Reich, das er von seinem verfaulten Turm aus regierte.
Sein Durst nach dunklem Wissen für sein Buch der niederträchtigen Dunkelheit führte ihn in viele Reiche und auf viele Ebenen. Aber dennoch war es in seinem eigenen Reich, dass einer seiner Diener auf etwas stieß: ein Zauber, vielleicht aus einem alten Folianten gerissen, der in einer Sprache verfasst war, die er noch nie gesehen hatte. Er spürte eine unglaublich dunkle Energie, die von ihm ausging. Da er keine Aufzeichnungen zu dieser Sprache hatte, verbrachte er Monate damit, mühsam die Syntax, die Phonetik und die Form zu analysieren. Er dokumentierte jeden Strich jedes Buchstabens, untersuchte die Bedeutung und stellte Theorien dazu an. All das hielt er in seinem dicken Buch fest, das er in seinen Gemächern versteckte. Als seine Truppenführer Probleme in ihren Gebieten meldeten, befahl Vecna ihnen, sie selbst zu lösen. Er hatte Wichtigeres zu tun.
Er verbrachte unzählige Nächte damit, sich die seltsame Schrift einzuprägen und ihre Bedeutung zu entschlüsseln. Selten verließ er seine Festung, um Gerüchten von Menschen nachzugehen, die spurlos in der Nacht verschwunden waren. An den Schauplätzen konnte er dieselbe fremde Magie spüren, die von der zerrissenen Seite ausging. Er war überzeugt: Was auch immer diese Menschen auf dem Gewissen hatte, hatte auch den seltsamen Zauber verfasst.
Er war verwirrt und das erzürnte ihn. Die wenigen Schauplätze hatten kein Muster, keine Gemeinsamkeiten. Es gab keine Spuren eines Kampfes, keine Leichen. Nur die bleibende Aura der dunklen Energie. Wofür wurden diese Leichen gebraucht?
Eines dunklen Abends schaffte er den Durchbruch: Ein Wort, das er als „sterben“ gelesen hatte, ergab als „verschwinden“ mehr Sinn. Vielleicht waren diese Leute ja gar nicht getötet worden. Vielleicht waren sie entführt worden. Er ersetzte das Wort in seinen Notizen und plötzlich fügte sich alles zusammen.
Er übertrug seine Erkenntnisse in Lautschrift auf einen frischen Bogen Pergament. Als er die Worte laut aussprach, verfinsterte sich das Zimmer. Es füllte sich mit einem wabernden, schwarzen Nebel. Er fühlte, wie er sich entfernte und an einen anderen Ort reiste. Vecna widersetzte sich, sprach Zauber aus seinem Gedächtnis und hielt den Nebel so in Schach. Aber als er in die Dunkelheit blickte, fühlte er eine verlockende Energie: ein Gefühl der Verzweiflung, ein Böses, das seine Vorstellungskraft überstieg. Eine kranke Neugier erfasste ihn und so beendete er seine Konzentration und ließ sich vom Nebel mitnehmen. Was es auch war, wo es auch war, er erkannte, dass er dieses Böse nur nutzen können würde, wenn er sich ihm ergab. In seinem kalten, reglosen Herzen wusste er, dass die dunklen Geheimnisse dieses Bösen eines Tages ihm gehören würden.