Burong Sukapats Proben an der Oper in Thailand sorgten für ein Wechselbad der Gefühle, aber trotz ihrer unermüdlichen Anstrengungen war sie immer nur die Zweitbesetzung. Was als Wunsch begonnen hatte, ihre Gabe mit anderen zu teilen, wurde zu einem unerschütterlichen Bedürfnis nach Ruhm. Ihre Kindergartenfreundin Janjira war ihre größte Unterstützerin, doch auch sie konnte nicht mehr tun, als eine Schulter zum Ausweinen anzubieten. Erst als Malai, eine Opernsängerkollegin, die schnell Bekanntheit erlangt hatte, sich bei ihr meldete, schien sich Burongs Blatt zu wenden.
Malai überreichte Burong eine Glasflasche mit einer klaren Flüssigkeit darin. Mit ernster Stimme riet sie ihr, daraus zu trinken:
Jede Nacht wird ein fremdes Wesen von deinem Körper Besitz ergreifen, aber du wirst Erfolg auf der Bühne haben, so wie ich.
Burong lachte über dieses seltsame Spiel. Aber mehr als alles andere wollte sie daran glauben, dass dies die Wahrheit war. Sie schnappte sich die Flasche und trank sie aus.
In den folgenden Wochen fühlte sich Burongs Haut weicher an und ihre Stimme bekam eine Tiefe, die ihr zuvor unbekannt gewesen war. Bei ihrem nächsten Vorsingen fiel sie dem Regisseur auf, der ganz verzaubert von den Klängen war, die da durch das Opernhaus hallten. Als das Lied zu Ende war, bedankte sich Burong noch beim Regisseur, bevor sie Blut in ein Taschentuch hustete. Sie steckte es in ihre Tasche und entschied, nicht weiter darüber nachzudenken. Was auch immer mit ihr passierte, es funktionierte – und sie würde nicht wagen, es jetzt aufzuhalten.
Als sie in dieser Nacht schlief, tröpfelte etwas beruhigend Warmes über ihren Körper. Sie setzte sich abrupt auf und suchte blind nach einer Lampe, die nicht da war. Sie lag in einem Hof, den sie nicht kannte, bedeckt von Blut. Neben ihr befand sich ein verwüsteter Hühnerstall – Federn und Blut befleckten die Erde.
Sie taumelte nach Hause, bevor die Stadt für einen neuen Tag erwachte. Unter der brühend heißen Dusche spuckte sie Blut und wurde den furchterregenden Gedanken nicht los, dass dies nicht ihre erste Jagd gewesen war. Zwischen ihren Schluchzern drückte sie auf ihrem Bauch herum und suchte nach der Stelle, an der sich etwas in ihr verbergen konnte.
Sie rief Janjira an, brachte es jedoch nicht über sich, ihre schrecklichen Taten zu offenbaren. Stattdessen erzählte sie ihrer Freundin, dass sie seit vielen Nächten schlafwandelte und jemanden brauchte, der sie wieder ins Bett brachte. Janjira wollte gerne helfen.
Als Burong am nächsten Morgen erwachte, ruhte Janjiras Hand sanft auf ihrer Wange. Doch als sie aufsah, blieb ihr ihr Schrei in der Kehle stecken. Janjiras abgetrennte Hand fiel vom Bett und landete auf ihrer ausgeweideten Leiche.
Stundenlang saß sie in stillem Schock neben den Überresten ihrer Freundin. Janjira war tot, und wozu?
Als sie den Geruch von Blut nicht mehr ertragen konnte, holte sie ihr Putzzeug. Bei Sonnenuntergang war noch immer ein großer Fleck auf dem Teppich zu erkennen.
Sie wanderte durch die Straßen, bis sie Malais Zuhause erreichte. Malai öffnete die Tür, und als sie in Burongs Augen blickte, begann sie sofort, sich zu rechtfertigen. Sie behauptete, nichts Falsches getan zu haben. Sie war verflucht worden und um den Fluch zu brechen, musste sie ihn an jemand anderen weitergeben. Sie glaubte, dass Burong dank ihres Verlangens nach Ruhm die Qualen überwinden und das erreichen konnte, was sie sich immer gewünscht hatte.
Wut regte sich in Burong. Sie stürzte zu Boden, als eine heiße Welle des Zorns sie erfasste. Malai sah entsetzt zu, wie Burong ihre Nägel in ihre eigene Haut stieß und versuchte, die brennenden Qualen wegzureißen. Als sie Fleischfetzen aus ihrem Hals riss, wanden sich ihre Gedärme in ihrem Inneren. Ihr Kopf befreite sich von ihrem Körper und ihre Eingeweide hingen aus ihrem Hals wie Fische, die gegen die Küste klatschen.
Ein brodelnder Hunger übernahm die Kontrolle, als Burongs körperloser Kopf sich in die Luft erhob. Er stürzte sich auf Malai und zerfleischte die Frau gierig, bis nichts als Blut, Haare und Knochen übrig blieben. Als Burong inmitten des Chaos wieder zu sich kam, konnte sie nicht genug Mitgefühl aufbringen, um auch nur eine Träne zu vergießen.
Sie kehrte nach Hause zurück. Ihre Gedanken kreisten, bis der Raum vom Licht der Sonne erhellt wurde.
Das Telefon klingelte.
Die Stimme des Regisseurs drang durch den Nebel in ihrem Kopf. Er bot ihr die Hauptrolle an. Burong fiel auf ihr Bett und weinte – nicht aus Traurigkeit, sondern vor Erleichterung und Freude.
Auf den Bühnen Bangkoks ging ein neuer Stern auf. In der Nacht fütterte sie das Monster in ihr und gemeinsam beherrschten sie eine Welt von Hunger und Musik. Doch das Monster wollte immer mehr und eines Nachts bekam es genau das angeboten: ein Versprechen auf Fleisch, das von Haken hing und voller verlockendem Blut war.
Und dann gab es nur noch den Nebel.